Chiron und der Einweihungsweg
Chiron war ein weißer Kentaure, ein wildes Mischwesen, halb Pferd halb Mensch. Chiron war innerhalb seines Stammes jedoch Außenseiter, den er war der Einzige unter den Kentauren, der tatsächlich Gutes wollte. In Chiron überwog das Menschliche gegenüber dem Tierischen, war er doch ein Halbbruder des Zeus, durch ihren gemeinsamen Vater Kronos.
Letztendlich litt er jedoch so sehr an seinen Schmerzen des Giftes der Hydra, sodass er sogar auf seine Unsterblichkeit verzichtete, um davon erlöst zu werden.

Wikimedia Public Domain / Chiron
Chiron, der Heiler und spirituelle Lehrer
Man bedenke, dass Chiron der Lehrer der talentiertesten unter den Auserwählte war, die er abseits der Öffentlichkeit in den verschiedenen Künsten unterrichtete. Obwohl er in allen Künsten bewandert war, konnte er sich jedoch selbst nicht helfen. Es war Apollo, der ihn unter seine Fittiche nahm, nachdem Chiron von seiner Mutter aus Scham verlassen wurde.
Dieser Umstand ist typisch für Chironthematiken. Wir sind vielleicht herausragend und einzigartig in unserem Können, doch hilft uns dies nicht wirklich über unseren Schmerz des Ausgestoßenen und allein gelassenen hinweg. Unser Leiden und etwaiges Handicap lässt uns leiden.
Man frägt sich immer bei Chironauslösungen, wie man die Angelegenheit nur lösen könnte? Wie kann ich mir helfen, obwohl man weiß, dass man in dieser Angelegenheit machtlos ist. Die Problematik liegt außerhalb unseres Einflussbereich (Chiron ist ein Transsaturnier). Er wurde nun mal als Mischwesen geboren, weil sich Kronos in ein Pferd verwandelte um von Rhea nicht inflagranti erwischt werden zu können.
Im Endeffekt kann man immer wieder beobachten, wie wir die Chiron-Angelegenheiten durchleiden müssen, ohne wirklich ein Rezept zu entdecken, um uns von dem Schmerz zu erlösen.
Der Verzicht auf seine eigene Unsterblichkeit lehrt uns, dass das Leben nur schön ist, wenn wir glücklich sind und nicht leiden. Chiron macht uns das Elementare bewusst. Chiron macht uns bewusst, dass wir Macht, Reichtum und Ansehen haben könnten, doch dies alles nichts wert ist, wenn wir unter Schmerzen leiden.
Deswegen ist Chiron der Patron der Eingeweihten und derer, die es werden wollen, denn er lehrt uns den Dornenweg zu gehen, auf welchem wir sogar bereit werden unser Leben hinzugeben, wenn dies unser Schicksal sein sollte.
Der Erleuchtungsweg macht uns automatisch in schmerzhafter Weise zu Außenseitern. Es bleiben nur wenige über, die ebenso diesen beschwerlichen Weg auf sich nehmen und bereit sind ungeachtet ihrer Schmerzen vorwärts zu gehen.
Chirontransite
Chirontransite markieren Stationen im Leben, in welchen wir auf dem Einweihungsweg geprüft werden. Wir müssen durchhalten, auch wenn es schmerzt. Wir müssen standhaft unsere Aufgabe erfüllen und dürfen nicht von ihr abweichen. Wir müssen schweigen, wenn wir auch die Wahrheit wissen.
Chirons Transite fordern ein, dass wir gehorsam sind und uns an die Vorgaben halten, die die Vorsehung durch unsere Radix für uns bestimmt hat. Unser menschlicher Anteil muss über unsere niedere Natur siegen, sonst wird der Schmerz nur noch größer.
Ein interessantes Beispiel aus Chirons Linie
Die Tochter von Chiron war Okyroe. Sie hatte die Gabe der Weissagung. Da sie nicht schweigen konnte, sondern Asklepius und ihrem Vater Chiron deren zukünftiges Schicksal prophezeite, verärgerte sie Zeus als auch Chiron. Zeus verwandelte sie daraufhin in eine Stute, weil sie unerlaubt geweissagt hatte. Ovid verewigte die Strafe des Zeus mit dem Spruch: Mallem nescisse futura – Ich wollte, ich hätte die Zukunft nicht gekannt.

Wikimedia Public Domain / Zeus + Okyrhoe
Zum Ende ihres Lebens verwandelte sie Zeus jedoch in ein geflügeltes Pferd und stellte sie Pegasus zur Seite. Chironische Erfahrungen fordern Durchhaltevermögen ein. Am Ende geht alles gut aus, doch nicht wir bestimmen über den Zeitpunkt, noch haben wir die Macht dazu. Wenn die Zeit gekommen ist, geht alles sehr schnell (Uranus) und wir werden vom Schmerz befreit (Uranus).
Das Göttliche in uns muss den Sieg über die tierische Natur in uns davontragen. Dies lehrt uns Chiron. Dadurch wird Chiron seiner Funktion als Wegweiser in die Transzendenz und Einweiher (Chiron kreist zwischen Saturn und Uranus) gerecht.

Wikimedia Public Domain / Umlaufbahn Chiron
Planeten, die von Chiron transitiert werden, lösen Prozesse aus, in welchen wir lernen auf dem Einweihungsweg durchzuhalten, wenn auch momentan keine Besserung in Sicht ist. Siegt unsere Stärke, werden wir durch den Eingriff in unser Schicksal letzten Endes ganz plötzlich von den Problemen erlöst. Das Kreuz müssen wir jedoch zuvor auf uns nehmen und ertragen.
Es würde uns nichts nützen (Saturn), würden wir unsere Zukunft kennen (Uranus). Wir dürfen und können ihr nicht ausweichen, sondern müssen sie durchleben, weil wir unser Schicksal selbst in der Vergangenheit durch unseren Charakter und unsere Handlungen geformt haben (Saturn). Die Vorsehung wacht darüber und Chiron lehrt uns den richtigen Pfad zu beschreiten, egal ob es gerade schmerzt. Durch den Schmerz werden wir auf das hingewiesen, worüber wir nachdenken müssen und wo wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten bessern müssen, sodass das Göttliche sich mit dem Menschlichen in uns vereinigt und über den tierischen Anteil siegt.
Die plötzliche Befreiung (Uranus) und Erlösung (Neptun) obliegt den Göttern. Manchmal auch den Göttern in weiß (Chiron-Ärzte und Heiler).
Ein verborgener Hinweis
Wir wandeln auf den Pfaden Chirons auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, benannt nach dem biblischen Apostel Jakobus der Ältere.

Manfred Zentgraf, Volkach, Germany, Ways of St. James in Europe, CC BY-SA 3.0