Gurus, die keine sind
Beobachte ich die spirituelle Szene und alle Menschen, die sich dafür interessieren, überkommt mich inzwischen kein Gefühl der Freude, sondern der Übelkeit. Als ich noch um die fünfundzwanzig Jahre alt war, hatte ich die Hoffnung, dass die Welt besser werden würde, wenn sich die Menschen spirituell öffnen. Durch meine Erfahrung muss ich jedoch feststellen, dass Quantität kein Garant dafür ist, dass sich daraus eines Tages Qualität entwickelt.
Inzwischen bietet man Seminare an, wie man lernt Menschen über die sozialen Netzwerke zu fangen, anstatt dass diejenigen, die Lehrer werden wollen, an ihrem Charakter arbeiten, um die Heiligkeit zu entwickeln, die Heil bringt.
Was mit NLP begann, hat sich zu einer Massenpsychose unter den Spirituellen entwickelt. Es geht nur mehr darum möglichst viele Menschen an sich zu binden, um reich zu werden. Je mehr Anhänger, desto niedriger ist jedoch in Wirklichkeit die spirituelle Qualität. Die Masse konsumiert Massenware.
Ein echter Guru, also jemand, der die Fähigkeit besitzt, Schüler tatsächlich zu erleuchten, ist für die Masse nicht erreichbar. Den Preis, den er einfordert, ist sehr selten jemand bereit zu zahlen. Seine Bedingungen sind für Menschen mit einem schlechten Charakter unannehmbar, denn sie werden sich neben einem echten Guru so schlecht fühlen wie sie sind. Sie werden spüren, dass sie von ihm nichts holen können, sondern ganz im Gegenteil er ihnen alles wegnimmt, worauf sie bisher ihren Selbstwert und ihr Selbstbewusstsein aufbauten.
Für einen echten Guru zählt nicht das tolle Aussehen, noch die beruflichen Erfolge, noch die erlangte Beliebtheit, noch der Reichtum und schon gar nicht die Klugheit und das Wissen, sondern einzig und allein der Charakter der Seele und der Mut, den man für moralische Größe braucht. So einem Typen will man nicht begegnen, denn alles, was in dieser heutigen Welt wichtig ist, misst er keine Bedeutung bei. Ein echter Guru ist in dieser Hinsicht vollkommen unbestechlich, sonst ist er kein Guru, sondern ein Scharlatan.
Dieselbe Kutte
Bei einem echten Guru trägt ein jeder dieselbe Kutte und wird keine Sonderbehandlung erhalten. Unterscheidet sich tatsächlich ein Schüler durch seine Größe, dann wird er zu dienen beginnen, was nichts anderes bedeutet, als dass er belastbar geworden ist, um größeres Leiden zu ertragen.
Wer will das heute schon? Heute gehen alle zu ihren Gurus, um sich Streicheleinheiten für ihr Ego abzuholen. Spurt der Guru nicht, wird er ausgetauscht und man läuft zum nächsten Scharlatan.
Ein echter Guru ist jedoch wählerisch. Der Schüler kann sich ihn nicht aussuchen. Er kommt nicht einmal an ihn heran, wenn dieser sieht, dass der Schüler die Reife nicht besitzt, weil sein Charakter die Grundbedingungen nicht erfüllt. Dieser Guru weist die Masse zurück und vertreibt sie, indem er diese scheltet und zurechtweist. Die Wenigen, die dann noch über bleiben, müssen sich auf einen langen ehrlichen Weg einstellen und eine Ausdauer beweisen, die unmenschlich ist, weil sie göttlich ist.
Einen echten Guru meiden die Menschen wie der Teufel das Weihwasser. Sie machen schon lange vorher einen großen Bogen um ihn, weil sie fühlen, dass er ihr Ego durchschaut und ihnen große Schmerzen bereiten wird.
Nichts ist auf dieser Erde schwieriger, als tatsächlich ein Erleuchteter zu werden. Es ist leichter, Milliardär zu werden, als ein Erleuchteter.